Es waren einmal drei Brüder, die sich herzlich lieb hatten. Sie wohnten am Rande eines großen, einsamen Waldes, den noch nie jemand ganz durchwandert hatte.
Der Älteste war ein großer, starker Kerl, sehr schnell und wendig.
Der Mittlere war feingliedrig und leicht, aber seine Haare wuchsen wie eine Löwenmähne auf seinem Kopf.
Der Jüngste fürchtete sich vor nichts und wusste auf fast alle Dinge in der Welt eine Antwort.
Eines Tages geriet ihr Land in große Gefahr.
Unbekannte, feindliche Viren fielen ins Land ein und keiner wußte, wie sie zu bekämpfen waren.
Alle fürchteten sich sehr vor dieser Bedrohung.
Der König des Landes erließ deshalb ein Gesetz, dass es bei Strafe verboten sei, Häuser und Wohnungen zu verlassen, bis man nicht wüßte, wie die Gefahr zu bannen sei.
Da sprach der Jüngste eines Tages zu seinen Brüdern: »Wir wollen in die Welt ziehen und herausfinden, was es mit diesen gefährlichen Viren auf sich hat, koste es was es wolle.«
Die Brüder machten sich auf den Weg
Sie verabschiedeten sich von Vater und Mutter, um sich auf ihren unbekannten Weg zu machen.
Die Mutter umarmte sie und sagte, bevor sie sich auf die Wanderschaft begaben, sollten sie um Mitternacht zum Baumstumpf der hundertjährigen Buche gehen, dort würden sie fürs erste ihr Glück finden.
Als sie, dem Rat der Mutter folgend, um Mitternacht beim Stumpf der Buche ankamen, trauten sie ihren Augen nicht.
Oben auf dem Stumpf saß ein häßliches, rothaariges Männlein mit einem grauen Bart, das ließ seine Beine baumeln und murmelte:
»unter mir da liegt ein Schatz,
aber ich mach keinem Platz.«
Dabei lachte es grimmig.
Die drei Brüder erkannten in dem Männlein den bösen, mächtigen Zauberer, der ihnen schon öfter übel mitgespielt hatte.
Als nun die Kirchturmuhr zwölf schlug, fing der Jüngste ein fürchterliches Gebrüll an. Aus den Haarspitzen des Mittleren fuhren durchdringende, helle Blitze, die den Zauberer zu treffen drohten.
Beim 12. Glockenschlag aber packte der Älteste den Baumstumpf, hob ihn mit ungeheurer Kraft etwas aus der Erde und schüttelte ihn so heftig, dass das Männlein nach hinten kippte und einen steilen Abhang hinabstürzte.
Noch ehe ihm ein vernichtender Zauberspruch einfiel, rollte es in einen dunklen Weiher, dessen trübes Wasser es ganz und gar verschluckte.
Sie glitten auf den Boards durch die Nacht
Als die Brüder wieder zu Sinnen kamen, sahen sie zwischen den lockeren Wurzeln des Baumstumpfes etwas golden schimmern. Sie gruben in der Erde und fanden ein goldenes Board. »Wo eines ist muß auch ein zweites und drittes sein«, meinte der Jüngste.
Und tatsächlich, als sie tiefer gruben, fanden sie noch zwei herrliche goldene Boards, die im Mondlicht glänzten.
»Lasst uns nun in die Welt ziehen und erkunden, was es mit den gefährlich Viren auf sich hat«, rief der Älteste und sprang leichtfüßig auf sein Board. Seine Brüder taten es ihm nach und folgten ihm mit Leichtigkeit auf ihren herrlichen Brettern. Sie glitten wie der Mond durch die Nacht, und als die Sonne aufging, hatten sie den Rand des großen Waldes erreicht.
Als sie sich etwas ausgeruht und sich aus dem Rucksack des Ältesten gestärkt hatten, nahmen sie ihre Boards unter den Arm und betraten den unbekannten Wald.
Es roch feucht und modrig und nur wenige Sonnenstrahlen fielen durch das dichte Blätterdach der Bäume.
Was sie sahen, verschlug ihnen die Sprache
Viele Stunden kämpften sie sich durch den weglosen Wald, bis die Bäume auseinander traten, die Sonne ihnen ins Gesicht schien und ein leichter Wind sie streifte.
Vor ihnen lag eine breite, matt schimmernde Straße, die leicht abwärts ins Unendliche zu führen schien.
Alle Müdigkeit fiel von den Brüdern ab.
Sie stellten ihre Boards vor sich hin, taten einen Freudenschrei, sprangen auf, stießen sich ab und rollten los. Leise summten die Räder aus Gold. Die Brüder gewannen an Fahrt, lenkten ihre Bretter mit Leichtigkeit in weiten Kurven und Schleifen. Der Älteste vollführte gewagte Sprünge mit Leichtigkeit.
So glitten sie schwerelos dahin, bis sie merkten, dass ihnen der Wind immer heftiger entgegenblies und ihre Fahrt bremste. Die Straße war schmaler geworden, und unversehens kamen sie vor einer engen Schlucht zum Stehen.
Was sollten sie nun tun?
Sie beschlossen, einer hinter dem anderen auf ihren Bretter die Schlucht so schnell wie möglich zu durchqueren. Der Älteste zuvorderst, schossen sie wie ein Pfeil im Flug durch die Schlucht und erreichten unbehelligt und mühelos ein breites Tal.
Kein Baum und Strauch wuchs da, der Himmel war verhangen und kein Lufthauch regte sich. Die Erde war bedeckt mit einer Schicht silbrig weißen Pulvers, das ihre Schritte dämpfte, als sie sich weiter ins Tal vorwagten.
Was sie nun sahen verschlug ihnen die Sprache.
Millionen kleiner Bläschen stiegen auf
Sie waren unversehens an eine große, flache Pfütze gekommen. Aus dem trüben Pfützenwasser stiegen Millionen und Abermillionen kleiner Blasen auf. Sie sahen aus wie winzige Seifenblasen in neongrün, rosa und blau. Die Bläschen stiegen unaufhörlich aus der Pfütze auf, wurden höher und höher in die Luft getragen und schwebten in der Richtung davon, aus der die Brüder gekommen waren. Einige stiegen aber nicht nach oben, sondern sanken auf den Boden zurück in den silbrigen Staub. Sobald sie damit in Berührung kamen, zerplatzen sie und lösten sich auf.
Nun bemerkten die Brüder auf einmal wie hungrig und durstig sie waren, aber sie hatten kein Wasser mehr bei sich. Ihr Durst wurde so übermächtig, dass der Älteste und der Jüngste sich auf den Boden warfen und gierig das Pfützenwasser tranken.
Der mittlere Bruder versuchte noch, sie vom Trinken abzuhalten, aber er konnte nichts ausrichten. Sollte auch er trinken und seinen Durst löschen?
Er drehte sich zu seinen Brüdern um und erschrak!
War das Wasser vergiftet?
Die beiden lagen völlig kraftlos, mit weit aufgerissenen glasigen Augen neben ihm. Ihr Körper war glühend und fieberheiß. Der mittlere Bruder versuchte verzweifelt, mit ihnen zu sprechen, aber sie reagierten nicht.
War das Pfützenwasser vergiftet?
Wie konnte es sein, dass sie so schnell so furchtbar krank wurden?
Er weinte und jammerte in größter Verzweiflung und bat seine Brüder, nicht zu sterben und ihn nicht alleine zu lassen.
Auf einmal streifte ihn ein leichter Lufthauch, und als er seinen Blick hob, sah er einen wunderschönen blauen Vogel. Weit hatte er seine schimmernden Schwingen ausgebreitet und umkreiste die drei Brüder. Dann flog er zu der Pfütze, aus der noch immer und unaufhörlich die Bläschen aufstiegen, tauchte seinen roten Schnabel ins Wasser und trank davon.
»Nein, tu das nicht, du wunderschöner Vogel, du sollst nicht auch noch sterben« schrie der Junge verzweifelt. »Sieh nur, meine Brüder haben von dem Wasser getrunken und sind krank geworden. Vielleicht entstehen in dieser Pfütze die tödlichen Viren vor denen sich alle Welt fürchtet.«
Im gleichen Augenblick erschrak er über seine eigenen Worte. Hatte er gerade eben das Geheimnis der Viren aufgedeckt? Was würde mit dem blauen Vogel passieren, der ja auch von dem Wasser getrunken hatte? Der Junge beobachtete ihn jetzt so gespannt, dass er seine große Not vergaß.
Er sah, dass der Vogel auf einmal in seinem Flug unsicher wurde. Sein Flügelschlag wurde matt. »Nicht krank werden, du schöner Vogel«, schrie der Junge. Da beobachtete er etwas Erstaunliches.
Er fasste einen Entschluss
Der blaue Vogel war auf die Erde in den silbrigen Staub gestürzt. Dort saß er nun und fächerte sich mit den Flügeln diesen feinen Staub über sein Gefieder, und als er sein Staubbad beendet hatte, erhob er sich laut jubilierend in die Lüfte.
Wollte der Vogel ihm ein Zeichen geben? Lag hierin die Rettung? Warum lösten sich die Blasen, die mit dem Staub in Berührung kamen, auf? Konnten nur die Bläschen überleben, die nicht mit dem Pulver in Berührung kamen?
Er roch und befühlte den Staub. Er leckte ihn von den Fingerspitzen ab, er war völlig Geruch und geschmacklos. Doch er hatte das Gefühl, als ob sein quälender Durst nachgelassen habe und er mehr Lebenskraft verspürte.
In diesem Augenblick fasste er einen Entschluss.
Er tauchte seine Finger in das Pulver und bestrich damit die Lippen seiner Brüder. Er wünschte sich nichts mehr, als dass sie alle bald wieder auf ihre goldenen Boards springen würden und zusammen diese sonderbare Gegend verlassen könnten.
Und siehe da, wie durch ein Wunder atmeten die zwei tief und ruhig und der Älteste sprach: »Wir sind gestärkt und können bald nach Hause aufbrechen.« Glücklich und erleichtert schliefen nun alle drei erschöpft ein.
»Das weiße Pulver hat unser Leben gerettet«
Wie lange sie geschlafen hatten, wussten sie nicht, aber sie fanden alles unverändert. Noch immer stiegen ungeheure Mengen der Bläschen in die Luft oder sanken in den Staub und zerplatzten.
»Brüder«, sprach der Jüngste, »Brüder, wir haben eine bahnbrechende Entdeckung gemacht. Dieses weiße Pulver hat unser Leben gerettet und wird auch das Leben aller Menschen retten, die an den feindlichen Viren erkrankt sind. Wir werden es unserm König bringen und alle können sich dann wieder frei bewegen und aus ihren Häusern kommen.«
Der Älteste öffnete seine Rucksack und sie schaufelten den Staub hinein, bis er randvoll war. Der Rucksack war nun schwer, aber diese kostbare Last wollten sie gerne tragen.
Sie klemmten frohgemut ihre Boards unter den Arm, um sich endlich auf den Rückweg zu machen.
Da blieb der Jüngste ruckartig stehen. »Halt!« rief er, »so können wir nicht gehen! Wir haben noch eine wichtige Aufgabe! Wir dürfen nicht zulassen, dass die Viren sich weiter verbreiten. Wir müssen dafür sorgen, dass sie ein für alle Mal ausgelöscht werden.«
Der Älteste ließ sein Board fallen, so erstaunt und überrascht war er über die Rede seines Bruders. Ja, sie mussten handeln, denn nur sie wussten um den Ursprung der Viren.
Keine Blase stieg mehr in den Himmel
Sie gingen zurück zur Pfütze und starrten in das trübe Wasser. Was sollten sie tun? Sie kickten gedankenverloren den Staub mit ihren Schuhen ins Wasser.
Wie konnten sie eine Lösung finden? Immer wütender wurden sie und rannten um die Pfütze und schoben den Staub ins Wasser. Sie umkreisten das häßliche Wasserloch und arbeiteten verbissen. Dabei merkten sie gar nicht, dass die Bläschen immer spärlicher aufstiegen, je trockener das Loch wurde. Sie arbeiteten Stunde um Stunde zusammen und dann hatten die drei Brüder es geschafft.
Erschöpft und glücklich saßen sie um das zugeschüttete feuchte Loch. Keine einzige Blase stieg mehr in den Himmel.
»Puh, was habe ich für ein Hunger«, stöhnten alle drei fast gleichzeitig und griffen in ihre Hosentaschen, in der Hoffnung, irgend einen essbaren Krümel zu finden. Das einzige aber, was sie zu Tage beförderten, war eine trockene Buchecker, die sie unter der alten Buche gefunden hatten, eine Walnuss und eine Kastanie vom letzten Herbst. »Davon werden wir nicht satt,« lachte der Jüngste, »die können wir gleich wegwerfen!«
»Nein«, meinte der Mittlere, »wisst ihr was ihr da in der Hand habt? In dieser Nuss, Buchecker und Kastanie steckt ein ganzer Baum. Wenn wir die drei Samen hier in das feuchte Loch legen, können sie vielleicht keimen und wachsen und zu großen Bäumen werden. Die Bäume können die Erde und das unselige Loch heilen.
Mögest du wachsen und gedeihen, Buche.
Mögest du Wurzeln fassen und groß und stark werden, Walnuss.
Mögest du viele stachlige Früchte tragen, Kastanie.«
Die Menschen jubelten ihnen zu
Nachdem die Brüder die Samen in die Erde gelegt hatten, nahmen sie Abschied von diesem seltsamen Ort und gingen durch die Schlucht davon, bis die immer breiter werdende Straße vor ihnen lag, auf der sie gekommen waren.
Wieder stellten sie ihre Bretter vor sich hin, schoben an, sprangen auf und glitten, angeschoben vom Wind, mit Leichtigkeit dahin.
Die Fahrt wurde immer rasanter, aber die drei standen sicher auf ihren Boards.
Von weiten sahen sie schon den Wald, als eine Windbö sie packte und in die Luft hob, höher und höher.
Bald sahen sie den grünen Wald unter sich und wenig später den Kirchturm ihres Heimatdorfes.
Sanft landeten sie am Stumpf der alten Buche. Hui, war das eine Fahrt, und da liefen ihnen auch schon Vater und Mutter entgegen und schlossen ihre Söhne glücklich in die Arme.
Es wurde beschlossen, am nächsten Tag in die Stadt zu gehen, um dem König das kostbare Pulver zu übergeben.
Als sie in die Stadt einzogen, eilte ihnen die Nachricht von der Rettung und dem Sieg über die Viren schon voraus. Alle Menschen waren aus den Häusern gekommen und säumten die Straßen und jubelten ihnen zu.
Der König empfing sie mit allen Ehren
Der König empfing sie mit allen Ehren und der ganze Hofstaat und das ganze Volk hörte ihnen zu, als sie abwechselnd ihr Abenteuer erzählten.
Dann sprach der König feierlich: »Ihr habt die Welt durch euren Mut und euer beherztes Handeln von den gefährlichen Viren erlöst, deshalb werde ich euch jetzt zu Rittern schlagen.«
Da war niemand mehr zu halten. Posaunen und Trompeten erklangen, Trommelwirbel erschallten, es wurde gesungen, getanzt und gelacht und die Menschen riefen: »Die Ritter der goldenen Boards, sie leben hoch, hoch, hoch.«
Alle waren froh und erleichtert, der Gefahr entronnen zu sein.
Und was wurde aus den drei Brüdern, den Rittern der goldenen Boards?
Nun, sie wuchsen heran, wurden stattliche junge Männer und haben vielleicht die Töchter des Königs geheiratet.
Aber das ist eine andere Geschichte und soll heute nicht erzählt werden.
Was sagen Sie dazu?