Die Sozialistin Clara Zetkin hatte 1910 auf dem Weltfrauen-Kongress in Kopenhagen zum Internationalen Weltfrauentag aufgerufen, um miteinander die prekäre Lage der Frauen zu verbessern. Für Mütter- und Kinderschutz, für Wahlbeteiligung und politische Rechte, für Gleichheit und Selbstbestimmung, für eine andere Wirtschaft, gegen Rüstung und Krieg.
So ein Gedenktag (Tag der Blaumeise) assoziiert immer auch, dass es da eine Art hilflose „Minderheit“ gibt, die man(n) schützen und unterstützen sollte. Tatsächlich sind Frauen aber keine Minderheit, sie stellen die Mehrheit auf dem Blauen Planeten. Sie sind auch nicht an sich hilflos, sondern wurden/werden durch eine traditionelle Erziehung und Gesellschaft dazu gemacht.
Und um Freiheit und gleiche Rechte müssen sie nicht betteln, sie sollen sie fordern bzw. sich ihre Rechte einfach nehmen. Leichter gesagt als getan im Angesicht von Restriktion und Gewalt.
Was ist aus Zetkins schönem Projekt „Internationaler Frauentag“ inzwischen geworden, hat sich der Status der Frauen verändert und wenn ja, wie?
Wie international kann der Frauentag sein?
Es gibt keine einheitliche Entwicklung auf der Welt, woher auch, da die einzelnen Länder (Nord-Süd-Gefälle, Industrie- und Drittweltländer, religiös und sekulare Staaten etc.) einen sehr unterschiedlichen Stand haben. Trotz des „internationalen“ Tags lässt sich die Stellung der Frauen nicht international vergleichen.
Was aber überall in allen Ländern, Gesellschaften und Schichten zu finden ist, sind Vergewaltigung, Mord, Bedrohung, Herabsetzung, Diskriminierung, Benachteiligung, Entwertung, Ungleichheit in allen Lebensbereichen – auch hier und jetzt mitten in Europa, mitten in Deutschland. Gleichzeitig kann man eine starke Frauenphobie beobachten.
Um in Deutschland zu bleiben: Die Frauenbewegung ist in den 90er Jahren relativ sang- und klanglos zu Ende gegangen, vor allem junge Frauen sehen keinen Bedarf mehr, halten sich für voll emanzipiert und gleichberechtigt. Man kann aber in vielen Fällen davon ausgehen, dass Formen und Äußerlichkeiten mit Inhalten verwechselt werden. Auftreten und Kleidung wirken sehr selbstbewusst und sexualisiert, alles Weitere wird übergangen und übersehen. Gleiche Rechte für Frauen, gleiche Pflichten für Männer – kein wirkliches Thema.
Sollen Frauen wie Männer sein?
Schon zu Zeiten der Frauenbewegung und besonders wichtig war die Auseinandersetzung über die neue Rolle der Frau: Sollte sie wie die Männer werden oder ging es darum, eine eigenen Entwurf von Frau in Bezug auf die Gesellschaft/auf die Welt zu erfinden? Sollte sie eine billige Kopie werden oder ein weibliches role model? Eine Alice Schwarzer kann jetzt auch Steuern hinterziehen, eine Frau von der Leyen Verteidigungs- oder ehrlicher Kriegsministerin werden, es gibt Polizistinnen und Soldatinnen, aber war das das Ziel?
Eine Bertha Baronin von Suttner (1843-1914) dürfte sich im Grab umdrehen, wenn sie eine Ursula von der Leyen (*1958) sehen könnte.
Die eine war ihr Leben lang in der Friedensforschung und -propagierung tätig, wofür sie 1905 als erste Frau den Friedensnobelpreis bekam. Ihr Credo: „Die Religion rechtfertigt nicht den Scheiterhaufen, der Vaterlandsbegriff nicht den Massenmord, die Wissenschaft entsündigt nicht die Tierfolter.“ Ihr ganzes Leben hat sie einem Thema gewidmet: „Die Abschaffung der Notwendigkeit, Zuflucht zum Krieg zu nehmen.“
Während eine Frau von der Leyen einen Heilberuf gelernt und sieben Kinder in die Welt gesetzt hat und ohne Not dann nichts Besseres zu tun weiß, als junge Leute aus sehr durchsichtigen wirtschaftlichen und geostrategischen Gründen in Kriege und vormalige Kolonien zu schicken.
Das ist ein schwerer Rückfall weit hinter alle feministischen Ziele. Frauenbewegung – light.
Brandstetter schreibt
klasse!
Brigitte Wildförster schreibt
Toller Text!!
Barbara Wankerl schreibt
Ja, ich glaube genau das ist das Ziel: dass Frauen in allen Lebensbereichen tätig sind. Auch wenn es politisch nicht genehm ist, oder wenn frau bei Siemens einen Konzernumbau mit Massenentlassungen mit vorantreibt oder als AKK schwache Witze auf Kosten diverser Menschen reißt. Teilhabe heißt das Stichwort, jeder Mensch sollte die Chance haben und nutzen, mitzubestimmen – und dabei frei zu entscheiden, auf welcher Ebene oder Position sie das tut.