Der Wagen setzte auf, der Fahrer fluchte. Wir waren eine steile Kurve mit ausgewaschenen Rinnen und verstreuten Felsbrocken bergauf gefahren. Dies war das dritte Mal, dass wir in 24 Stunden Pech hatten: Zuerst das heruntergekommene Albergo, das einzige weit und breit, das noch Zimmer hatte und in dem wir mit unseren Wertsachen unter dem Kopfkissen kaum schlafen konnten. Dann die Sache an der Tankstelle, bei der unser Freund die Hinweise nicht richtig gelesen und zu schnell hintereinander die Scheine hineingeschoben hatte, die prompt ohne Gegenleistung einkassiert wurden.
Und nun dies.
Wir waren bereit, unsere Idee als „spinnert“ zu begraben
Es war das letzte von zehn ausgewählten Objekten, die wir uns in der Toskana ansahen. Nach einigen verlassenen, düsteren Bauernhäusern, die teilweise ohne Wasser und Strom waren und nur optisch dichte Dächer hatten, erwarteten wir nicht mehr viel und waren recht skeptisch. Der zuständige Immobilienmakler war auch noch unabkömmlich, wir hatten nur eine Wegbeschreibung und die damals natürlich ohne GPS.
Eigentlich wollten wir – typisch deutsch – nur noch dieses letzte Objekt besichtigen, von der Liste abhaken und dann reumütig den Einfall, ein italienisches Landhaus zu kaufen, als spinnerte Idee begraben und nach Hause fahren.
Unser Freund Jörg fluchte ausgiebig und erklärte uns dann grimmig, dass er keinen Meter weiter fahren würde. Also stiegen wir aus und gingen den Weg zu Fuß weiter.
Das war es und kein anderes!
Das alte Landhaus schien uns erwartet zu haben: gerade brach ein freundlicher Sonnenstrahl durch die Wolken, es wirkte fast wie im Theater. Dann die Lage am Hang im Olivenhain, zwischen alten Zypressen und, jetzt im Spätherbst, kahlen Linden, still und in sich ruhend. Das Mauerwerk bestand aus Ziegeln und Natursteinen. Durch die Fenster im Parterre konnten wir ins Innere sehen, es schien wirklich bewohnbar zu sein. Spontan setzten wir uns auf eine kleine sonnenbeschienene Mauer, die ein Beet mit Lavendel- und Rosmarinbusch einfasste, schauten in das Tal und auf den gegenüberliegenden Hang und wussten, das war es und kein anderes.
Das Haus hat eine lange Geschichte
Später erfuhren wir vom Immobilienmakler etwas über die Geschichte: Das Haus hat einen über 300 Jahre alten Teil mit ehemals unten Viehställen, oben Loggia, Küche, Wohnbereich und kleinen Schlafkammern. Weil die Familie wuchs, wurde später eine Verlängerung an das Haus gebaut, das – für eine sechzehnköpfige Familie – immer noch ohne fließendes Wasser war, bis in die 60er Jahre.
Dann der Umbau durch einen römischen Architekten für ein amerikanisches Ehepaar, mit Brunnenbohrung, großem Pool, überdachtem Außenplatz. Dann der Verkauf an einen englischen Dokumentarfilmer.
„Sofort bewohnbar“– ein dehnbarer Begriff
Und dann wir, die erst lernen mussten, wie sehr man den Begriff „sofort bewohnbar“ dehnen kann.
Die ganze Elektrik musste neu gelegt werden, sonst konnte uns Kriechstrom erwischen. Die Fliesenböden waren nicht isoliert, die Küche wohl für jemanden ausgestattet, der sich nur Frühstück und höchstens einmal Spaghetti machte. Die Badezimmer mussten wir erneuern, die Heizung, die Poolpumpe, die Umrandung und das Lining des Pools, schließlich auch die „Stuccatura“ zwischen den Ziegel- und Natursteinen draußen, die Stützmauern zur Auffahrt und Etliches drinnen und draußen mehr, Arbeiten, die an Frances Mayes‘ Buch und den späteren Film „Unter der Sonne der Toskana“ ›› erinnerten. Wir fanden, dass wir das Renovierungschaos und die liebenswerten Begebenheiten auch so ähnlich hätten beschreiben können.
Wir haben viel gelernt
Aber tatsächlich konnten wir gleich nach dem Kauf einigermaßen dort wohnen, denn von Bettwäsche bis zu Besteck war alles Wesentliche vorhanden. Im Verlauf der über 30 Jahre, die seither vergangen sind, haben wir vieles ausgetauscht, eine Wand eingerissen und damit den Küchenbereich großzügiger gestaltet. Dafür haben wir an anderer Seite eine Wand hochgezogen und im Erdgeschoss eine neue Wohneinheit eingerichtet.
Ohne die freundliche Hilfe einer Familie vom Nachbarort hätten wir nur wenig davon realisieren können. Wir waren froh über ihre Kontakte und dass Reparaturen, Putzen, Schreiner-, Pool- und Gartenarbeiten und auch die Olivenernte erledigt wurden.
Klar, dass man bei solch einer Umgebung auch viel Italienisch lernt. Während normale Touristen Wörter wie „cena“ (Abendessen) und „gelato“ (Eis) lernten, wussten wir bald, wie wichtig das Aufspüren von „tarli“ (Holzwürmern) im Gebälk ist und dass „doccia“ im Toskanischen nicht Dusche, sondern Regenrinne heißt.
Inzwischen gehören wir dazu
Das Haus ist unser zweites Zuhause geworden, längst sind wir in Castiglion Fiorentino keine „Turisti Tedeschi“ mehr, sondern die Bewohner von Oliveto, manchmal sogar mit richtigem Namen.
Wenn wir selbst nicht dort sind, kann man das Haus auch mieten. Es lohnt sich: von den vielen schönen und erholsamen Dingen, die man hier tun kann, haben wir hier noch gar nicht richtig gesprochen.
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