Es lebte einmal ein Prinz, der war das einzige Kind und die Freude seiner Eltern, denn er war gesund, hübsch, gerade und groß gewachsen und nach dem Urteil seiner Lehrer nicht dumm. Aber wirklich glücklich war er nicht. Zwar bekam er alles, was er sich wünschte, einen eigenen Fernseher, nach dem Führerschein ein Auto, Gitarrenunterricht, Reisen auf die Malediven und nach Hawaii, aber das alles langweilte ihn bald.
Die alte Kinderfrau des Prinzen, die ihn am besten von allen Menschen kannte, und die in seinem elterlichen Schloss ihren Lebensabend verbringen durfte, wiegte bedenklich das Haupt und sagte: „Du brauchst Freunde, und du solltest dich bald verlieben.“
Blödsinn, dachte der Prinz und sagte: „Ich habe doch Freunde.“ Schließlich ging er so oft er wollte in Clubs und wurde gefeiert, wenn er eine Lokalrunde ausgab. Er veranstaltete Feste und wurde zu Partys eingeladen, auf denen die Stimmung super war und er im Mittelpunkt stand. Und kein Mädchen zierte sich, wenn er es begehrte.
Die Weisheit der alten Kinderfrau
„Ach, mein Prinz“, sagte die alte Kinderfrau, „wenn einer deinen Wodka trinkt, ist er noch lange nicht dein Freund. Und deine schnellen Eroberungen haben mit Liebe nichts zu tun. Du musst die wahre Gestalt der Menschen erkennen, ihr inneres Wesen, und dich mit deinem ganzen Sein und mit Hingabe darauf einlassen. “
Der Prinz sagte nichts, weil er die gute Frau nicht kränken wollte, aber er dachte: Die Alte ist doch hinterm Mond.
Er lebte also sein Leben weiter wie bisher, steigerte alles, was ihm Geselligkeit und Lust verschaffen konnte, erreichte aber nur, dass er immer missmutiger wurde. Sollte die alte Kinderfrau doch Recht haben? Das zu denken, ließ sein Stolz nicht zu, obwohl der Same ihres Ratschlags sich irgendwo in seinem Inneren festsetzte und zu keimen begann. Er gestand sich ein, dass die Kumpane keine richtigen Freunde waren, und unter den willigen Partygirls keine Frauen zum verlieben.
Der Prinz beschloss, fort zu gehen. Andere Städte und Menschen zu sehen, das würde ihn auf neue Ideen bringen, ihn ablenken und aufmuntern. Er reiste inkognito, um zu prüfen, wie er auf andere wirkte, wenn er nicht als Prinz auftrat. Er war jetzt Lars Lichtenfels, der Student, und suchte in einer fremden Stadt ein Zimmer in einer WG. Das war nicht leicht. Immer war er einer von vielen Bewerbern, und anderen wurde der Vorzug gegeben, aus Gründen, die Lars nicht verstand. Er merkte nur, dass niemand in ihm etwas Besonderes sah.
Wohlan, dachte er schließlich, dann mache ich es eben umgekehrt, kaufte eine große Altbauwohnung, zog ein und vermietete die anderen Zimmer an junge Leute, die ihm gefielen. Die waren froh, eine Bleibe gefunden zu haben, und zunächst lief alles gut. Aber bald beklagten sie sich, dass Lars seinen Dreck nicht wegräumte, das Bad nicht putzte, wenn er dran war, und sich ums Kochen drückte. Als er eine Putzhilfe einstellte und Essen ins Haus liefern ließ, warfen sie ihm erst Arroganz und Großkotzigkeit vor und fingen dann an, seine Freigiebigkeit auszunutzen. Sie pumpten ihn auch an, und wenn sie das Geld nicht zurück zahlen konnten, sagten sie, es träfe ja keinen Armen.
In Wirklichkeit bin ich ein Prinz
Es gab auch eine junge Frau in der WG, Yolanda. Sie studierte internationales Recht, war klug, schön und überhaupt nicht kokett, denn sie war sich ihrer selbst gewiss und musste Beachtung nicht einfordern. Der verkappte Prinz ahnte, dass Yolanda eine Frau war, wie sie sein sollte, und dass er sie lieben könnte. Er schenkte ihr Blumen und lud sie ein, mit ihm auszugehen. Einmal tat sie ihm den Gefallen und bestand auf einem ruhigen Lokal, in dem man sich unterhalten konnte. Sie erzählte von sich und fragte Lars nach seinen Interessen, seiner Kindheit und seinen Zielen im Leben. Da fing ein großes Stottern und Herumeiern an. Über solche Dinge hatte Lars sich nie Gedanken gemacht. Er konnte nur über seine bevorzugte Musikrichtung Auskunft geben und sagen, welchen Whisky er für den Besten hielt. Ein mitleidiges Lächeln spielte um Yolandas Lippen. Da sagte Lars: „Aber in Wirklichkeit bin ich ein Prinz.“
„So etwas habe ich mir gedacht“, sagte Yolanda, „und?“
Am nächsten Morgen verließ der Prinz die Stadt und begann ein unruhiges Reiseleben. Mit dem Wind und seinen Launen ließ er sich treiben, gab sich mal als dieser, mal als jener aus, schloss allerlei Bekanntschaften aus Katzengold und mied Frauen, die Yolandas Klasse hatten. Und doch wuchs in ihm die Sehnsucht nach Freundschaft und Liebe. Er wusste nur immer noch nicht, wie er es anstellen sollte.
So kam er über das Meer in die ehemals Neue Welt, die immer noch jeden Tag etwas Neues hervor brachte. Alles war hier größer und glänzender als in der alten Heimat des Prinzen. Jedenfalls das, was er zu sehen bekam. Und am glänzendsten war die rätselhafte Galactica, die sich eines Abends beim Tanzen in Lars‘ Arme schmiegte. Sie trug ein silbernes hautenges Kleid, ihre Augen leuchteten übernatürlich, und ihre durchscheinende Haut fühlte sich glatt und kühl an, erwärmte sich aber unter seiner Hand wie eine wechselblütige Eidechse.
Durch mich wirst du viele Freunde finden
Der Prinz war fasziniert. Eine innere Stimme, er hielt sie für die seiner alten Kinderfrau, trieb ihn dazu, diesem wunderbaren Wesen zu gestehen, dass er sich nach tiefer Verbundenheit sehnte und er wünschte, dass sie der Schlüssel dazu sei. Sie warf ihm einen langen Blick zu, dann sagte sie: „Ich bin nicht das, was du jetzt siehst. Ich bin verzaubert. Du kannst mich erlösen. Dann nehme ich meine wahre Gestalt an und gehöre ganz dir. Und durch mich wirst du auch viele Freunde finden.“
Dem Prinz schwanden fast die Sinne vor Begeisterung. Er drückte seine künftige Geliebte an sich und rief: „Was muss ich tun, um dich zu erlösen? Ich gebe alles was ich habe für dich hin!“
„Nun, das wird nicht nötig sein, nicht ganz“, sagte Galactica mit einem amüsierten Lächeln.
„Soll – nein – darf ich dich küssen?“, fragte der Prinz.
„Wenn du willst, aber darauf kommt es nicht an“, entgegnete sie.
„Dann nenne mir die Aufgabe!“, forderte der Prinz feierlich.
„Hier ist eine Adresse, komme morgen da hin und bringe eine handvoll Gulden mit, dann musst du einen Vertrag unterschreiben, der dich an mich bindet, als Zeichen deiner Hingabe. Tust du das, ohne Zaudern, siehst du mein wahres Wesen, und ich bin für immer dein.“ Galactica glänzte und funkelte verlockend.
„Und ich bin ewig der Deine!“, jubelte der Prinz.
Nachdem er am nächsten Tag in die City gefahren war, bezahlt und unterschrieben hatte, hielt Prinz Lars sein brandneues Smartphone Galaxy mit all den Apps, die keinen Wunsch offen ließen, selig in Händen, küsste und streichelte es. Alsbald erschien auf dem Display die Aufforderung, sich bei facebook anzumelden, wo viele Freunde schon auf ihn warteten.
Und wenn sie nicht gestorben sind, dann verlängert sich der Vertrag automatisch.
Was sagen Sie dazu?