Ich freue mich, endlich mal wieder in die Stadt fahren zu dürfen, in der ich vor langer Zeit studiert und gelebt habe; viele schöne Erinnerungen kommen hoch, auch an die wundervolle Musik, die bis heute Maßstäbe gesetzt hat. Ich denke an die Beatles, die Rolling Stones, aber ebenso an Georges Moustaki und an Leonhard Cohen, der mich mit »So long Marianne«, »Suzanne«, »Halleluja« und »Dance with me to the end of love« verzaubert hat. Da höre ich am Ende der Tagesschau, dass Leonhard Cohen gestern mit 82 gestorben ist. Zwei Jahre zuvor sagte er beiläufig in einem Interview nach dem legendären Konzert in London: »Excuse me for not dying ›› «.
Ich beschließe, den schon gepackten Koffer abermals zu öffnen und die DVD von eben diesem Konzert mitzunehmen.
Der Wunsch ist wahr geworden, aber …
Der ICE nach München kommt und bis Köln sehe und höre ich begeistert, allerdings zugleich ein wenig traurig, den großen Sänger.
Eine gutaussehende, aber melancholisch wirkende Frau steigt zu. Wir kommen über den Tod von Leonhard Cohen ins Gespräch.
Ich erfahre, dass sie aus Leipzig stammt und immer einen großen Lebenswunsch hatte: Sie träumte davon, auf einem Bauernhof ein glückliches Leben mit einem wundervollen Mann zu führen und mit ihm eine Familie zu gründen.
Tatsächlich ist dieser Wunsch wahr geworden. Sie, Andrea, lebt mit Walter in einem kleinen Dorf in der Eifel, der Bauernhof ist rentabel und das zweite Kind geplant.
Jetzt aber ist sie wie ich auf dem Weg nach München. Dort will sie im »Klinikum rechts der Isar« einen berühmten Spezialisten aufsuchen, von dem sie sich Klarheit über den vor einem Monat bei ihr festgestellten Hirntumor erhofft.
Die Botschaft in Cohens »Anthem«
Nach wie vor trunken von der Musik, aber erschüttert von dieser Nachricht, schweige ich zunächst. Dann reiche ich ihr den Kopfhörer und lasse sie hören, was Cohen in dem Song »Anthem« singt: »There is a crack in everything, that‘s how the light gets in.« Sie bittet um eine Übersetzung, um eine Interpretation. Ich versuche es: »Übersetzt heißt es ungefähr ‚In allem ist ein Bruch, aber nur durch ihn kommt das Licht hinein‘. Cohen war Jude, aber diese Zeile spiegelt nicht nur sein Leben wider, sondern ist für mich wie eine österliche Lyrik, die Hoffnung schenken kann.«
Als wir uns in München auf dem Bahnhof verabschieden, erklärt mir Andrea, dass sie gerne an die Botschaft von »Anthem« glauben möchte. Mir bleibt nichts anderes, als sie darin zu bestärken. Ich nehme Andrea in den Arm, drücke sie kräftig und äußere den Wunsch, dass sie mir auf »halleluja« (meine E-Mail-Adresse) schreibt, wie es ausgegangen ist.
»… that’s how the light gets in«
Die Tage in München waren wirklich wunderbar.
Noch viel schöner war es, nach meiner Rückkehr die Nachricht zu erhalten, dass der Professor Andrea eine sehr gute Diagnose gestellt hat und sie nun ihren Traum wieder neu leben darf.
Was sagen Sie dazu?