»Bitte lassen Sie Ihren Hund daheim«, empfiehlt Janne Kellner. Das Empfangskomitee, drei sehr breite, sehr kräftige Schäferhunde, die neugierig durch den Zaun gucken, erklärt alles. Und da biegt sie auch schon schwungvoll um die Ecke, die Janne, beschwichtigt die drei, und los geht‘s mit der Hofbesichtigung.
Schön ist es hier – und irgendwie weit weg. Mit einem tief gespannten Himmelstuch und der sanften Skyline der Alpen als Abschluss. Äcker und Wiesen reihen sich bis zum Horizont aneinander, mit Einsprengseln von kleinen Mischwäldern und Weilern, die Pürgen heißen oder Seele oder eben Frauenwies. Eine Wiese, wo Frauen wie Blumen (oder Unkraut) wachsen? Wer weiß?
Eine davon ist Janne Kellner ››, die dort vor 14 Jahren sechs Hektar Land und ein großes Haus ersteigert hat, um circa 40 Pferden und Eseln eine letzte Heimat ohne Misshandlungen und Schufterei geben zu können. Freundlich aufgenommen, gut gefüttert und versorgt, gestriegelt und, wenn nötig, medizinisch behandelt, verbringen sie ihre Zeit in diesem »Altenheim«. Viele haben Sonnenlicht, Wind und Regen, frisches Heu erst im Gnadenhof kennengelernt. Und ein Dasein ohne Schläge, Tritte und Schwerstarbeit.
Der Bau der Kapelle hat geholfen
Um dieses gute Leben zu organisieren, ist Janne voll beschäftigt mit täglich neuen (übrigens phantastischen) Fotos ihrer Schützlinge auf Facebook, mit Bitten, Betteln und Aufrufen für Spenden, mit Flohmärkten, Besucherführungen und Networking.
»Ich liebe Menschen, die in den Tieren Geschöpfe Gottes und Geschwister sehen und ihnen helfen.«
Vor kurzem sind leider zwei großherzige Spender gestorben, weshalb der Gnadenhof jetzt öfter in einen Engpass gerät. Aber Janne hat keine Angst, das wird schon, sagt sie. Als es wieder einmal Spitz auf Knopf stand, hat sie der Göttin, dem Gott?, den Göttern? versprochen, dass sie eine Kapelle bauen wird, direkt bis in den Himmel hinein. Ganz allein und mit viel Liebe zu jedem Stein hat sie gebaut.
Die kleine Kapelle steht neben dem Auslauf von Carlos, einem zotteligen Poitou-Esel, und duftet nach Blumen und Kerzen. Eine Gnadenkapelle. Und alles ist gut gegangen.
Carlos sieht reichlich zerlumpt aus, trotz seiner edlen Rasse mit dem verschieden langen Rasta-Fell, aber er hat auch was von einem Star. Und ganz liebe Augen.
Hier dürfen die alten Tiere ihr Leben genießen
Die abgearbeiteten Stuten und Hengste (deren »Lohn« der Schlachthof gewesen wäre), die sie dem Schlachter abgekauft hat, und die geschundenen Eselmädchen aus Sizilien traben flink und fröhlich heim in ihre Ställe, wo es köstlich nach bestem Heu und frischen Kräutern riecht.
«Als die Tiere hierher kamen, waren sie kaputt und völlig fertig. Jetzt haben sie wieder ihren natürlichen Witz und Charme. Und wenn es soweit ist, werden wir sie beim Sterben begleiten.«
Wir – das sind außer Janne drei Männer aus dem Kosovo. Sie machen die Arbeit mit viel Herz und Seele und sind froh um ihr Auskommen. Alle haben etwas von dem Projekt »Gnadenhof«. In der Nachbarschaft halten die Leute Janne sicher für »eine g‘spinnerte Alte«, aber Sozialstundenleistende arbeiten gern auf dem Hof mit.
Die Eselmädchen blinzeln uns unter ihren langen Ponys keck zu, die vielen Katzen schmiegen sich an unsere Beine.
Jedes gerettete Tier bringt was
Die Liebe zu den Pferden hat Janne sicher von ihrem Opa geerbt. Der war Rittmeister bei den Trakehnern (benannt nach einer Pferderasse) und hatte seine Truppe bei Kriegsende gerettet.
Und die Liebe zum Leben in der Einsamkeit? Die hat sie daheim bei ihren Eltern gelernt; beide waren in der Gastronomie und hatten keine Zeit für das Kind.
Bringt das überhaupt was, wenn man gerade mal 40 Tiere rettet, aber Millionen kommen elend um? Ja, für die 40 bringt es alles.
Die Pferde haben auf ihrem Gelände draußen Futterraufen unter weißen, weithin sichtbaren Sonnen-Segeln. Dicht gedrängt stehen sie da, die eher weiße Herde und die braune, fressen genüsslich, schütteln ihre Mähnen, traben, manchmal hinkend und humpelnd, aber entspannt durch ihr Revier. Zufriedene alte Wesen.
»Tiere versprechen nichts und halten alles.«
Die männlichen Esel müssen leider getrennt gehalten werden, weil sie sich sonst tot beißen/nicht vertragen. Der Auslauf der Eselinnen liegt vor ihren sauberen, geradezu gepflegten Ställen. »Wenn man bedenkt, wie die Massenzucht Millionen Tiere in Dreck, Enge, in Angst, Pein und Schmerz, vom ersten bis zum letzten Tag ihres qualvollen Lebens hält… ähnlich wie damals die Menschen in den Konzentrationslagern gehalten wurden.
Oder dass es der EU gerade mal 1000.- Euro pro Tier wert ist, wenn es unter Höllenqualen ins Ausland transportiert wird, alles ein Gräuel – was ist das für eine Welt? Die Gesellschaft ist gierig, immer hungrig, nie ist es gut genug, es muss immer mehr sein, und dabei kann sie die Gegenwart nicht mal genießen. Menschen sind anstrengend. Tiere versprechen nichts und halten alles. Sie leben bedingungslos im Hier und Jetzt.«
Janne ist eine religiöse Frau
Jannes Oma war Jüdin, sie ist es auch, nennt sich eine zutiefst religiöse Frau. »Ohne Gott geht nichts, ohne Gott hätte ich den Hof nie gekriegt, nichts hätte funktioniert.« Sie glaubt an die ewige Energie aus dem »Seelenbrei«, der uns umwabert, aber hofft darauf, nicht wiedergeboren zu werden in diesem Riesensee. Nicht noch mal das Ganze.
Und was ist mit Palästina? »Ja klar, alle haben Recht, jede Seite auf ihre Weise.«
Am Horizont versinkt ein dicker oranger Ballon hinter den Bergen, aus den Ställen wiehert, grummelt und brummelt es leise.
»Wir g‘spinnert‘n Alten können schon noch was reißen«, lacht Janne mit ihren knapp 70 Jahren.
Sie ganz bestimmt!
Wenn Sie das Team von Janne Kellner und die Tiere besuchen oder unterstützen wollen:
Frauenwies – Heimat für Tiere e.V.
Adresse: Frauenwies 3, 86932 Pürgen/Nähe Landsberg
Tel: 08194-346 Mobil: 0172-8350848
Besuch: Bitte nur nach Absprache
Überweisung: DE96 7005 2060 0000 0092 90
Paypal:
Eva Gruber schreibt
Vielen Dank für Ihren Bericht (wenngleich er garnicht so einfach zu finden war). Wie schön, dass es Menschen gibt, die sich nicht nur um den eigenen Nabel drehen….
Leider wird eine Vielzahl der Tiere noch immer als sog. „Nutztiere“ betrachtet, dabei ist u.a. der Fleischkonsum längst nicht mehr zeitgemäß und schadet auch erheblich dem Klima, wie mittlerweile allseits bekannt. Da ich schon verschiedene Tierrechtsorganisationen finanziell unterstütze und von Beruf Sozialpädagogin bin, ist es mir leider nicht möglich, auch diesen Hof zu unterstützen. Weiterhin alles Gute für die g`spinnerte Alte u. ihre Tiere.