Jane Goodall – ein Name, den jeder schon einmal gehört hat. Und eine Persönlichkeit, die kennenzulernen eine Freude ist. Wenn man sie sieht und hört – die heute 83-Jährige fungiert als Erzählerin des Films und gibt in Interviews freimütig Auskunft über ihr außergewöhnliches Leben – beeindruckt sie mit ihrer ruhigen, bestimmten Art. Was an ihrer Geschichte vor allem und immer wieder imponiert, ist die Unbeirrbarkeit, mit der sie gegen alle Widerstände ihren Lebenstraum verwirklicht hat. Und der hieß, seit frühester Kindheit, zusammen mit wilden Tieren in Afrika leben. Das ist bestimmt nicht jedermanns Sache. Aber für uns alle ein Anlass, darüber nachzudenken, ob es sich nicht lohnt, unsere Träume zu leben – sei es nun Brotbacken, Klavierspielen, Motorradfahren oder sich einen Hund anschaffen.
Jane Goodall fühlte, dass das, was sie tat, richtig war für sie – es passte, sie war genau dort, wo sie war, am rechten Fleck – und das gegen jede Wahrscheinlichkeit. Es ist ein gutes Gefühl, wenn das eigene Leben / Erleben und die Umgebung zusammenpassen. Genau dieses Gefühl vermittelt der Film.
Eine Sekretärin stellt die Welt der Wissenschaftler in Frage
Es kam schon viel zusammen in ihrem Fall. Das nötige Fünkchen Glück gehörte sicher auch dazu, als die 26-Jährige, eigentlich Sekretärin ohne wissenschaftliche Ausbildung, 1960 von ihrem damaligen Chef nach Gombe geschickt wurde, einen entlegenen alten Bergwald im nordwestlichen Tansania, um Schimpansen zu beobachten. Ihre Tierliebe und ihr wissenschaftlich unverbildeter Ansatz waren ihre Qualifikationen für diesen Job. Niemand konnte ahnen, dass es die Britin damit in einem männlich-dominierten Feld einmal zu Weltruhm bringen würde.
Geduldig beobachtete sie die Schimpansen, bis die sich an das seltsame weiße Ding am Rande gewöhnt hatten und sie akzeptierten, in ihre Mitte ließen. Jane stellte mit ihren Tierbeobachtungen nicht nur konventionelle Forschungsmethoden in Frage. Ihre Entdeckungen, dass Schimpansen hochintelligente soziale Kreaturen sind, die Werkzeuge benutzen, um Nahrung zu sammeln, waren revolutionär und veränderten unseren Blick auf unsere Vorfahren. Bis dato galt nur der Mensch unter den Primaten als vernunftbegabt und ausgestattet mit Gefühlen. Aber auch Schimpansen kennen Angst, Eifersucht, Fürsorglichkeit und Wut. Durch Goodalls Arbeit war die menschliche Einzigartigkeit angezweifelt.
Eins mit sich, der Einsamkeit, den Tieren und der Wildnis
Für diese Arbeit lässt sich die junge Frau auf ein wildes Abenteuer ein, hat keine Angst, fühlt sich auch unter Giftschlangen und anderem Getier sicher. „Ich gehöre hierher“, empfand sie. Es war eine Zeit der Entdeckungen und Abenteuer, aber auch der Einsamkeit, in der sie nicht nur den Tieren näher kommt, sondern auch sich selbst. Nie stellte sie ihr Leben in Frage – eine normale bürgerliche Existenz, Ehe und Familie suchte sie nicht, es war nicht ihr way of life. Als es sich dann doch so ergibt, als sie 1964 den niederländischen Filmemacher Hugo van Lawick, der für National Geographic ihre Arbeit dokumentieren soll, kennen und lieben lernt, nimmt sie dies als großes Geschenk an. Die beiden heiraten. Mit jemandem teilen zu können, was sie bewegt und antreibt, war eine weitere große Empfindung ihres Lebens.
Sohn Grub wird geboren, die Familie reist zusammen, vor allem durch die Serengeti, die van Lawick hinreißend in nie gesehenen Bildern festhält. Klein Grub ist immer dabei. Durch das Muttersein lernt Jane den mächtigen Instinkt der Mutterliebe, den sie bei den Schimpansen beobachtet hat, besser zu verstehen.
In Gombe arbeiten zu der Zeit junge wissenschaftliche Mitarbeiter unter Goodalls Anleitung in der Forschungsstation. Als sich nach einigen Jahren die Bedingungen ändern, ihr Mann nur noch in der Serengeti filmen will und Jane fürchtet, ihre eigene Arbeit könne zu kurz kommen, zögert sie nicht: sie kehrt zurück nach Gombe, zu ihren Schimpansen. Dort muss sie auch schwere Niederlagen einstecken, als die Tiere durch eine Polio-Epidemie dezimiert werden und untereinander einen brutalen Krieg anzetteln. Auch in ihren Aggressionen ähneln uns eben unsere nächsten Verwandten …
Eine starke Frau mit einem starken Vorbild
Was Goodall vor allem auch auszeichnet, und darauf kommt der Film immer wieder zurück, ist der Glaube an sich selbst, daran, etwas bewegen zu können, wenn man es nur will. Diese unbedingte Überzeugung hatte Jane von ihrer Mutter gelernt, die sie alleine großzog, immer unterstützte und ihr Selbstvertrauen aufbaute – auch wenn ihr Ansinnen damals wahnwitzig klang. Die Mutter war es auch, die mit ihr in den tansanischen Dschungel zog. Denn eine weiße Frau alleine in Afrika war undenkbar, sie brauchte einen Reisegefährten.
Aus van Lawicks grandiosen Tier- und Landschaftsbildern, exklusiven Interviews mit Goodall, Forschungsmaterial des Jane Goodall Instituts ›› sowie Familienvideos schuf der preisgekrönte Regisseur Brett Morgen ein einzigartiges, intimes Porträt der Artenschützerin, die mehr für die Primaten-Forschung geleistet hat als anerkannte Wissenschaftler.
Morgen verarbeitete mehr als 100 Stunden bisher unveröffentlichtes Filmmaterial aus den Archiven des National Geographic. Der berühmte Komponist Philip Glass schuf die Filmmusik, die manchmal etwas übermächtig wirkt und die wunderbaren Aufnahmen, die auch mal Stille vertragen hätten, bisweilen allzu sehr überlagert.
Das ändert nichts daran, dass das intime Porträt einer starken Frau, die sich in einem komplett männlich dominierten Feld durchsetzte und zu einer der bedeutendsten Umweltschützerinnen der Welt wurde, absolut sehenswert ist. 1977 gründete sie das Jane Goodall Institute, das sich inzwischen in 30 Ländern für den respektvollen Umgang von Menschen mit Tieren und Natur einsetzt, und reist seitdem für ihr Anliegen um die Welt. In ihrem Umwelt- und Sozialprogramm „Roots & Shoots“ engagieren sich mehr als 10.000 Gruppen von Kindern und Jugendlichen in über 100 Ländern für eine bessere Welt.
Am 8. Dezember wurde Jane Goodall in Düsseldorf mit dem Ehrenpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2017 für ihren Einsatz für den Artenschutz ausgezeichnet. „Jane“ war als „Bester Dokumentarfilm“ für den Oscar 2018 nominiert. Das emotionale, wunderschön gefilmte Frauenporträt ist mehr als nur der perfekte Beitrag zum Frauentag. Es ist ein Vermächtnis, das uns alle berührt und betrifft.
Der Film „Jane“ läuft ab dem Internationalen Frauentag (8. März) 2018 im Kino.
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Ulrike Ziegler schreibt
Danke für den Beitrag, liebe Marga. Den Film seh ich mir an. Ich habe Jane Goodall bei verschiedenen Doku-Festivals live erlebt . Sie ist eine faszinierende Frau.