Altstadtfest in Schwerin am Wochenende. Ich lese es in der Zeitung und markiere es rot in meinem inneren Kalender. Das heißt: auf keinem Fall nach Schwerin fahren. Es ist voll, laut und man bekommt keinen Parkplatz. Ebenso verfahre ich mit dem Hoffest des Bio-Hofes. Ich genieße gern die Stille zwischen seinen alten Apfelbäumen, freue mich an den natürlichen Bewuchs von Brennnessel, Giersch und Hirtentäschel, zwischen dem der Gärtner die Kräuterbeete angelegt hat. Der bunte Stuhl und kleine Tisch, eingeschlossen vom kniehohen Gras, lassen Bilder von glücklichen Kindern entstehen, die vor einer Weile damit gespielt haben. Solchen Gedanken kann ich nicht nachhängen, wenn um mich herum hundert andere Kunden des Hofes wuseln.
Wie diesen idyllischen Hof stelle ich mir Dörfer der Vergangenheit vor, als der Kampf ums tägliche Brot noch nicht zum Kampf ums ordentlichste Grundstück mutiert war. Sicher, früher schufteten Mann, Frau und oft auch die Kinder von Sonnenaufgang bis Untergang, um Getreide zu ernten, Kühe zu melken, Heu zu machen. Das wünscht sich keiner zurück, aber die Arbeit hatte einen Sinn, der im Winter in den Vorratskammern zu begutachten war. Welche Vorteile ein wöchentlich mit viel Radau gemähter englischer Rasen gegenüber einer stillen pflegeleichten Blumenwiese hat, fällt mir schwer zu begreifen.
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Als Kind liebte ich es, durch herbstliches Laub zu schlurfen. Das Rascheln der bunten Blätter war ein Ohrenschmaus. Verbunden mit ihrem süß-würzigen Duft, weckte es meine Vorfreude auf die mit Kerzenduft durchwehte, geheimnisvolle Adventszeit. Heute zwingt mich das Getöse des Laubsaugers die letzten warmen Herbsttage hinter geschlossenen Fenstern zu verschwenden, um mein Gehör und meine Nerven zu schonen.
Das „Kleine Fest im großen Park“ in unserer Stadt führt dazu, dass in meinem geliebten Schlosspark an die achtzehntausend Menschen herum trampeln, ein endloses Eilen und Schieben zur nächsten Bühne, zum Grillstand oder Dixi Klo, gekrönt von einem grandiosen Abschlussfeuerwerk, das auch noch das letzte Eichhörnchen in die Flucht schlägt. Am zweiten Wochenende im August verlasse ich regelmäßig meine Heimatstadt entgegen der Staurichtung.
Nicht das Fest hat sich verändert, aber ich
Dabei bin ich viele Jahre selbst dabei gewesen, unsere Kinder sind mit dieser zauberhaften Nacht der Kleinkünstler groß geworden. Erst waren sie im Kinderwagen, dann auf unseren Schultern und schließlich selbstständig mit einem Proviantpaket dabei. Das Fest hat sich nicht wesentlich verändert, aber ich. So wie ich mich früher auf Geburtstagspartys, Stadtfeste und Freundinnenrunden freute, freue ich mich heute auf unverplante Zeit, in der ich Stille genießen kann, am liebsten in der Natur und gern allein. Das ist neu und überrascht mich selbst am meisten.
Doch wenn ich die Anzahl der Stunden, die ich aktiv, redend, belehrend, erklärend, feiernd, lachend, plappernd mit denen der Stille vergleiche, ist in fünf Jahrzehnten ein deutliches Ungleichgewicht entstanden. Es ist ein unersetzbarer Schatz, eine Familie und Freunde zu haben, in einem Land zu leben, wo in Sicherheit gelebt und darum ausgelassen gefeiert werden kann.
Aber in Stille der uralten Melodie der Baumwipfel im Windspiel zu lauschen und den Vorhang aus Morgendunst und Licht zu bestaunen, lässt mich zur Ruhe kommen. Ich spüre wieder das Wesentliche und tanke Kraft für meinen oft turbulenten und lauten Alltag.
Joachim Hotz schreibt
Oftmals wünsche ich mir vermutlich die Jugend zurück und nehme mir fest vor, auf eines der bekannten Feste in Konstanz (Seenachtsfest, Weinfest, Flohmarkt, Fasnacht und andere) zu gehen. Doch wenn der Termin kommt, suche ich eine Ausrede, um doch nicht gehen zu müssen! Wahrscheinlich suche ich im Geheimen auch die Stille!
Flögel Birgitt schreibt
Lieber Herr Hotz, herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Es hat doch etwas Entspanntes, nicht mehr überall dabei sein zu müssen. Herzliche Grüße aus Ludwigslust