Eine aktuelle Studie ›› besagt, dass die größte Nutzendengruppe von Games in Deutschland die Generation 50+ ist. Mit diesen erstaunlichen Worten begann der Kursleiter Sebastian Ring vom JFF unsere eigenleben.Werkstatt #6 mit dem Titel »Zu alt zum Spielen? Nie!«
So richtige GamerInnen, wie man sie sich vorstellt, waren die Teilnehmenden nicht wirklich, die sich an diesem Donnerstag im Oktober im Pixel versammelt haben. Die hier Anwesenden nehmen wahrscheinlich alle eher Blätterware als Bildschirme zur Hand, wenn sie Minuten der Muße haben. Aber die eine oder der andere hatte auch Tipps für gute Spiele-, Knobel- Rätselapps für das Smartphone parat.
Es war wohl eher das Interesse auf diese andere, unbekannte Welt der Games, das die Teilnehmenden bewogen hat, sich einen Nachmittag lang mit diesem fremd anmutenden Thema zu befassen. Vielleicht auch die Frage, ob da nicht doch was dabei ist, was man für sich selbst nutzen könnte. Oder wenigstens anderen empfehlen kann. Oder vielleicht war es einfach nur das Interesse, um mitreden zu können. Was wir alle nun, nach dem Kurs, sicher besser können.
Computerspielen mit Johann Sebastian Bach
Der Workshop von Sebastian Ring war eine kurzweilige Mischung aus Beispielen, Hintergrundinformationen, Entstehungsgeschichte, Politik, Sozialem und praktischen Anwendungen. Es ging los beim berühmten Pong, einem Spiel aus den 70er Jahren, bis hin zum aktuellen Stand der virtuellen Realität. Mit der entsprechenden Technik, der VR-Brille und Controllern, konnten wir mit Walen tauchen und uns in 3D um selbst gezeichnete Objekte im Raum herum bewegen. Sehr faszinierend! Dass man beim Computerspielen nicht immer nur auf einen Screen glotzt, konnte man beim Spielen von Johann Sebastian Joust erfahren, einem Turnierspiel, bei dem sich bis zu sieben Mitspielende im Raum zur Musik von Johann Sebastian Bach bewegen.
Warum spielen wir?
Die Präsentation behandelte viele verschiedene Aspekte des Spielens. Warum spielen wir? Zum Beispiel, weil wir uns langweilen. Weil wir Dinge ausprobieren können, die wir in Realität nicht können (Städte bauen mit Minecraft, gegen Messi Fußball spielen bei FIFA). Weil wir andere Personen sein können („Avatare“ sind dabei die StellvertreterInnen, die man nach Belieben gestalten kann). Weil wir mit anderen in Interaktion kommen (z.B. auf der Couch beim lokalen Multiplayer oder über das Netz). Weil wir Fähigkeiten trainieren können (z.B. bei Geschicklichkeitsspielen). Weil wir fremde Welten erleben können (z.B. im Newsgame Syrian Journey, das die BBC 2015 ›› veröffentlicht hat). Weil wir es seit Urzeiten lieben, Geschichten zu erzählen und zu erleben (z.B. bei The Path, einer Computerspielumsetzung von Rotkäppchen oder im Wild West-Spiel Red Dead Redemption).
Was ist die Geschichte des Spiels?
Im Spiel erfinden die Menschen Geschichten. Selbst Schachfiguren erzählen Geschichten: der eingeschränkte König, die mächtige Königin, die Bauern, die in die Schlacht geschickt werden. Die Menschen spielen schon immer, nur die Methoden ändern sich. Es gab Anfang des 19. Jahrhunderts bereits Schach-Partnerschaften, nur dass die Züge etwas länger dauerten – man kommunizierte sie per Postkarte.
Heute gibt es E-Sport wie „League of Legends“ ››.
Kritikpunkte
Aber es ging auch darum, dass längst nicht alles im Bereich der digitalen Spielkultur eitel Sonnenschein ist, es gibt auch hier eine Gender Gap: In vielen Games werden stereotype Frauenbilder dargestellt und auch in Produktion, Vertrieb und Marketing gibt es ein Missverhältnis der Geschlechter. In den letzten Jahren gab es eine Kontroverse zur Rolle von Frauen in der Industrie, dem Journalismus oder auch der Wissenschaft der Computerspiele unter dem Schlagwort #gamergate. Ebenso wird die Darstellung von Ethnien und People of Colour vielfach kritisiert. Nicht zuletzt bewegte viele der Teilnehmenden die Frage nach dem Risiko des Abdriftens in virtuelle Welten.
Insgesamt wurde deutlich, dass Computerspiele ein komplexes Thema sind. Geld wird längst nicht mehr nur mit dem Verkauf von Spielen verdient, sondern mit In-App-Verkäufen (z.B. einem Haarschnitt für Avatare, neue Waffen oder Rennautos), Produktplatzierungen und der kommerziellen Auswertung von Daten der Spielenden.
Chancen
Deutlich wurde, dass Computerspiele eben auch Spiele sind. Sie schließen an den langen Reigen von Spielen und der Beschäftigung mit Spielen an, die schon seit der antiken Philosophie stattgefunden haben. Jede/r kennt Bruegels Bild ‚Die Kinderspiele‘. Heute spielen wir eben auch digital – allein oder gemeinsam, vor Ort (z.B. LAN-Parties oder Local Multiplayer Spiele) oder verbunden über das Netz. Die Spielenden machen dabei das, was Menschen eben beim Spielen so tun: sie interagieren miteinander, haben Spaß, strengen sich an und auch hier will natürlich gelernt sein, ein/e gute/r VerliererIn zu sein.
Spiele können lehrreich sein und Wissen vermitteln. Sie machen zum Beispiel erfahrbar, wie es ist eine Stadt zu managen und den Bedürfnissen ihrer BewohnerInnen gerecht zu werden (z.B. in der Städtebausimulation Sim City). Lernspiele haben sich zum Ziel gesetzt Wissen zu vermitteln. Und natürlich lassen sich bestimmte Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Konzentrationsfähigkeit und Geschicklichkeit trainieren.
Spannend ist, dass die Technologie sich sehr schnell weiterentwickelt. Nicht nur die Grafik wird immer besser, auch die Art Geschichten zu erzählen entwickelt sich weiter. Und schon heute kann Software als MitspielerIn in vielen Spielen mehr als mithalten (z.B. im Schach).
Das waren unsere Games bei der eigenleben.Werkstatt:
Johann Sebastian Joust
Mario Kart 8
Fortnite
The Blu
Spaceteam
Dieser Medien-Workshop der eigenleben.Werkstatt wurden unterstützt von:
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