An einem frühen Abend betrete ich die Universität. Ich betrete die Uni, in die ich – mittlerweile ist es Jahrzehnte her – früher meistens gerannt bin (etwas zu spät dran). Sie sieht aus wie immer und riecht wie immer, also nicht. Damals wusste ich, wo ich hin muss, jetzt muss ich mich orientieren. Wo geht’s zum Infoabend fürs Seniorenstudium?
Vorausgegangen ist meine „Zwangs-Verrentung“ – so nenne ich leicht beleidigt den Vorgang, als ich meinen Beruf nicht mehr wie gewohnt ausüben durfte, weil mein ungnädig zu frühes Geburtsdatum dies so vorschrieb. 65 plus also. Und jetzt? Was völlig Neues anfangen? Oder Altes wieder aufgreifen? Promovieren wollte ich doch vor gut 30 Jahren schon, aber dann ist alles anders gelaufen, und zwar nicht schlecht.
Also mein altes Fachgebiet wieder aufgreifen? Oder jetzt Sinologie, Archäologie oder sowas völlig Neues? Ich muss zugeben, ich hatte im Vorfeld, als die Idee bei mir auftauchte, nicht richtig recherchiert, sonst hätte ich wissen müssen, dass man sich ordentlich immatrikulieren sollte, eine/n Doktorvater/-mutter finden muss usw., und – schwierig! –dass man den jungen Studierenden damit einen Platz im Hörsaal wegnimmt.
Der Saal ist fast voll besetzt. Und soweit mein Auge reicht, lauter sichtlich interessierte Damen und Herren meines Alters und aufwärts. Grauschöpfe, die meisten Herren, falls noch Haar vorhanden. Die meisten Damen mit gut geschnittener Kurzhaar- oder Halblangfrisur, darunter in signifikanter Häufung diejenigen mit einer Kolorierung, für die eine Freundin den Begriff „menopausenrot“ prägte.
Wimmelbild Gleichaltriger im Audimax
Das ganze Sample der Peergroup ist vorhanden: die von mir blitzschnell in entsprechende Schubladen sortierten Spießigen, Coolen, Nicht-Einzuordnenden. Alle miteinander haben diverse Eigenschaften – wie ich auch, ich weiß schon. Trotzdem, hier auf diesem Wimmelbild im Audimax sehen alle zusammen verdammt alt aus. Ich vermute, manche von denen, den anderen, sehen dies wahrscheinlich genauso wie ich. Ich jedoch will hier nicht sitzen und Teil einer quasi homogenen Gruppierung sein. Die Versammlung nur Gleichaltriger nervt, egal, was der (auch nicht mehr so ganz junge) Prof da vorn Kluges erzählt für uns Senioren.
Wieder draußen, finde ich es super, dass auf der Straße die ganze Demografie herum läuft. Das ganze spannende und schwierige Durcheinander, das alle Beteiligten auf ihre Weise kennen. „Alle Macht allen Altersgruppen“, hätten wir früher gesagt, wenn wir uns damit beschäftigt hätten …
Was sagen Sie dazu?